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Kunst auf den Straßen
"Teerzeichen" von Kaesbohrer

Herrsching -

Wer tatsächlich ungewöhnliche Münchner Straßen-Kunst sehen will, festgehalten in großformatigen Fotografien, muss sich in die am Freitagabend eröffnete Ausstellung in der Bildungsstätte des Bayerischen Bauernverbandes begeben. Dort zeigt Christoph Kaesbohrer, Fotograf verschiedener Sparten und Erfinder verschiedener Glas- und Stahlbausysteme, eine Auswahl seiner Arbeiten. "Kreaturen" heißt diese Ausstellung von Schwarz-Weiß-Fotografien, die jeweils einen Ausschnitt an geflicktem Straßenbelag darstellen. Aber was sich so banal liest, entfaltet bei Betrachtung eine ungeheure Faszination: Denn der Fotograf führt uns ein in eine vorher nicht gesehene, da nicht bewusst wahrgenommene Welt voller fremdartiger Zeichen und Figuren. Sie ist zufällig entstanden und schon immer vorhanden, solange Straßen gebaut werden.
Entdeckt hat Kaesbohrer sie vor nunmehr 16 Jahren während eines Sonntags-Spaziergangs in München. Eine Welt übrigens, die Kaesbohrer in Italien nicht fand. Warum?

"Dort gibt es keinen Frost!" In jedem Winkel der Stadt springen nämlich - vor allem im Frühjahr nach der Frostperiode - die Straßendecken auf. Dies zu reparieren ist Aufgabe der Stadt, die mit ihren Kolonnen eine schwarze, zähflüssige Masse in die Risse kippt. Und manches Mal daneben tropft. So kommen figürliche Darstellungen und wahrhafte, wirklich unbeeinflusste "drip paintings" - Tropfenbilder im Sinne des amerikanischen abstrakten Expressionismus - zustande, die Kaesbohrer mit seiner Hasselblad im Profiformat 6x6 cm festhält. Dabei doku-mentiert er die augenblickliche Situation, auch unter Registrierung der Straße und Hausnummer, denn der Sommer wird kommen und die Hitze wird die schwarze Masse erweichen lassen: Immer wieder andere Reifenprofile werden sich abzeichnen.
An etlichen Stellen dringen auch Gräser oder Löwenzahn durch die Bitumenmischung -und neue ,,Teerzeichen" entstehen. Es gibt Orte, an die Kaesbohrer immer wieder zurückkehrt, um nach ,,seinen" Bildern zu schauen. Auch die Besucher seiner Ausstellung werden demnächst mit gesenktem Blick durch die Straßen gehen, dessen ist er sich sicher. Dabei ist die Bezeichnung "Teer" unrichtig, wie man ihm von Seiten der Bauindustrie vermittelte. "Er wird nicht mehr verwendet. Aber wie klingt das denn: "Bitumen-Zeichen?"; meint Kasbohrer.

Bei dem Wort ,,Teer", das wie ,,Pech" an Märchen und Mythen erinnert, und aus der Jahrmillionen alter Steinkohle gewonnen wird, wird das Unbewusste unmittelbar an-gesprochen. Aber auch die Bildtitel reichen weit in die Menschheitsgeschichte zrück: "Fortuna", "Ikarus", "Tantalus". Asphalt wurde bereits in Mesopotamien als Baumaterial benutzt; Christoph Kaesbohrer zeigt ein "objet trouvé" aus modernem Asphalt: ein Stück Radlweg aus Neuperlach mit einem tanzenden Paar.

Karin Höh-Knüppel

Starnberger Merkur vom 26.März 2001

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